Polizeioberkommissar Mehmet A. hatte Geldprobleme. Als seinem Vorgesetzten zu Ohren kam, dass der 45-Jährige mehrere Kollegen und Kolleginnen gefragt hat, ob sie ihm 2000 Euro leihen könnten, musste er die Dienststelle verlassen. Wann genau das war, kann der damalige Vorgesetzte als Zeuge vor Gericht nicht mehr beantworten. »Dezem …«, setzt der Angeklagte an. Doch er wird von seinem Verteidiger unterbrochen und zum Schweigen angehalten.

Mehmet A. und sein Kollege Bülent L.-K. müssen sich wegen des Vorwurfs des schweren Raubs und der gefährlichen Körperverletzung vor dem Landgericht Berlin verantworten. Sie sollen im vergangenen Jahr auf der Berliner Stadtautobahn in Höhe des Messedamms eine Fahrzeugkontrolle fingiert und einem Autofahrer mindestens 55.000 Euro geraubt haben. Die Angeklagten schweigen zu den Vorwürfen.

Ihr ehemaliger Chef beschreibt die beiden Männer vor Gericht. Bülent L.-K. sei »zuverlässig, eloquent, fleißig« gewesen und nie auffällig geworden. Und Mehmet A. habe er als »netten, sympathischen Menschen« erlebt. Irgendwann habe er aber mitbekommen, dass der Angeklagte »spielsüchtig ist oder war«. Auch von dessen Schulden beim Finanzamt (»ein nicht unerheblicher Betrag«) habe er gewusst. Er habe versucht, auf den Beamten einzuwirken, damit der eine Therapie beginnt. Doch schließlich habe er erkannt, dass Mehmet A. seine Probleme offenbar nicht in den Griff bekommen werde.

Die Aussage des inzwischen pensionierten Leiters gibt erstaunliche Einblicke in die Vorgänge der Polizeidienststelle in Berlin-Kreuzberg. Ein weiterer Beamter soll durch rassistische Äußerungen und sein Frauenbild aufgefallen sein. »Kollegen und Kolleginnen fürchteten sich vor ihm.« Ein Großteil der Beamten habe keinen Dienst mehr mit ihm versehen wollen. Da sei dem Polizisten nahegelegt worden, die Dienststelle zu verlassen.

Der Beamte soll zudem mehreren Kollegen Kontakt zu einem Juwelier vermittelt haben. Vier oder fünf Polizisten sollen dort einmal im Monat »türkische Goldmünzen« gekauft haben, sagt der frühere Dienstellenleiter – »als Wertanlage«. Der jetzt Angeklagte Bülent L.-K. soll seine Goldmünzen im Wert von 600 Euro auf der Dienststelle im Spind aufbewahrt haben. Eines Tages waren sie weg.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt auch in dieser Sache. Es geht um den Vorwurf der Strafvereitelung im Amt gegen zwölf Beamte der Dienststelle, darunter auch die Angeklagten und ihr damaliger Vorgesetzter. Die Führungskraft steht unter Verdacht, damals alle Polizisten zusammengetrommelt und ihnen gesagt zu haben, dass der vermeintliche Diebstahl nicht zur Anzeige gebracht werde und er hoffe, dass die Münzen wieder auftauchten. Es soll den Verdacht gegeben haben, dass Mehmet H. die Münzen im Dezember 2021 gestohlen habe.

Der ehemalige Chef müsste vor Gericht an diesem Tag nicht aussagen. Weil auch gegen ihn in dieser Sache ermittelt wird, hat er das Recht, die Aussage zu verweigern. Aber er will reden. »Selbstverständlich.« Er habe sich vor allem darüber empört, dass Goldmünzen auf der Dienststelle gelagert wurden, sagt er.

»Menschenskinder, wie kann man Wertgegenstände im Spind aufbewahren?« Dass er davon gesprochen haben soll, dass keine Anzeige erstattet werde, erwähnt der Zeuge nicht. Bülent L.-K. soll gesagt haben, dass er die Münzen vielleicht auch nur verbaselt habe.

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Der Vorgesetzte sagt, er habe ins Fahrtenbuch geschaut. Demnach habe Bülent L.-K. das Fahrzeug bis 18.10 Uhr genutzt. Dass der Van gegen 23 Uhr am Messedamm gewesen ist, passt nicht zu dem Eintrag. Für den Bereich Messedamm seien sie auch gar nicht zuständig.

Laut Fahrtenbuch soll der Angeklagte das Auto an jenem Tag für eine Strecke von rund 80 Kilometern genutzt haben. Eine für ihren Bereich eher ungewöhnlich weite Strecke, sagt der Zeuge. »Wir fahren ja nicht Streife.« Jeder auf der Dienststelle habe Zugang zu den Autoschlüsseln gehabt. »Rein theoretisch kann jeder ohne mein Wissen ein Fahrzeug rausnehmen.« Das Ganze lief offenbar auf Vertrauensbasis.

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